Astronomie

Energierekord für kosmische Elektronen

H.E.S.S.-Observatorium detektiert erstmals Elektronen mit 40 Teraelektronenvolt Energie

kosmische Strahlung
Die Teleskope des H.E.S.S.-Observatoriums haben die bisher energiereichsten kosmischen Elektronen detektiert. © MPI für Kernphysik/ H.E.S.S. Collaboration

Extreme Elektronen: Astrophysiker haben erstmals kosmische Elektronen mit bis zu 40 Teraelektronenvolt Energie eingefangen – ein neuer Rekord. Nachgewiesen wurden diese hochenergetischen, in die Erdatmosphäre rasenden Teilchen vom H.E.S.S.-Observatoriums in Namibia. Die neuen Messungen bestätigen zudem, dass es im Spektrum der kosmischen Elektronen einen auffallenden Knick bei rund einem Teraelektronenvolt gibt. Das liefert wertvolle Hinweise auf die bisher unbekannten Quellen dieses energiereichsten Anteils der kosmischen Strahlung.

Die kosmische Strahlung ist bis heute eines der großen Rätsel der Astrophysik. Denn die Erde wird zwar ständig von diesen energiereichen Teilchenströmen getroffen, doch die Quellen dieses Bombardements sind größtenteils ungeklärt. Der Theorie zufolge entsteht diese kosmische Strahlung immer dann, wenn Materie stark beschleunigt wird, beispielsweise durch Schwarze Löcher oder bei kosmischen Explosionen. Für ungeladene kosmische Teilchen wie Neutrinos konnten Physiker die Quellen auch schon eingrenzen.

Doch die energiereichsten geladenen Teilchen der kosmischen Strahlung geben weiterhin Rätsel auf. Das Problem: Diese Atomkerne, Ionen oder Elektronen werden von Magnetfeldern im All abgelenkt und abgebremst. Das macht es nahezu unmöglich, ihre Quelle genauer zu orten. Hinzu kommt, dass diese kosmischen Teilchen umso seltener werden, je höher ihre Energie ist. Bisher gibt es daher nur vage Hinweise auf einen möglicherweise extragalaktischen Ursprung hochenergetischer Atome. Für kosmische Elektronen war die Datenlage noch dünner.

H.E.S.S.-Teleskope
Das H.E.S.S.-Observatorium in Namibia detektiert die Strahlung, die bei Kollisionen der kosmischen Teilchen mit Gasatomen der Atmosphäre freigesetzt wird. © H.E.S.S. collaboration

H.E.S.S.-Teleskope als Fahndungshelfer

Das hat sich nun geändert – dank des H.E.S.S.-Observatoriums in Namibia. Seine fünf Teleskope sind darauf geeicht, indirekte Spuren der kosmischen Strahlung zu detektieren. Diese entstehen, wenn Teilchen der kosmischen Strahlung auf die Erdatmosphäre treffen und dort Kaskaden sekundärer Teilchen erzeugen. Wenn dann diese Partikel in den Teleskopen mit Atomen kollidieren, setzt dies winzige Lichtblitze frei, die sogenannte Tscherenkowstrahlung. Die Energie und Richtung dieser Lichtspuren ist dabei je nach Energie und Art des Ursprungsteilchens verschieden.

Für ihre aktuelle Studie haben Physiker um Felix Aharonian vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg nun H.E.S.S.-Daten aus zwölf Jahren nach Signalen energiereicher kosmischer Elektronen und Positronen durchsucht. Dabei setzten sie spezielle Algorithmen ein, um diese schwachen, schwer identifizierbaren Teilchensignale aus dem Hintergrundrauschen herauszufiltern.

Kosmische Elektronen mit Rekord-Energien

Mit spektakulärem Erfolg: Das Team konnte mit diesen Messungen nicht nur mehr als 265.000 kosmische Elektronen und Positronen nachweisen. Die schnellsten dieser Teilchen hatten auch eine Energie von bis zu 40 Teraelektronenvolt – ein neuer Rekord. Denn bisherige Messungen erfassten nur kosmische Elektronen von maximal einigen Teraelektronenvolt.

„Die H.E.S.S.-Daten erweitern damit das Spektrum der energiereichen kosmischen Elektronenereignisse weit über frühere direkte und indirekte Messungen hinaus“, berichten die Physiker. Sie gehen zudem davon aus, dass die von ihnen gemessenen Rekordwerte noch nicht das Maximum darstellen. „Unsere Werte sollten als unteres Limit für die hochenergetischen kosmischen Elektronen verstanden werden“, betonen Aharonian und seine Kollegen.

Woher kommen die Hochenergie-Elektronen?

Doch das ist nicht alles: Weil sich das Energiespektrum der detektierten kosmischen Elektronen über die Spanne von 0,3 bis 40 Teraelektronenvolt erstreckt, lassen sich daran auch bestimmte Trends ablesen. So zeigen die Daten, dass die Häufigkeit der Elektronen mit steigender Energie exponentiell und relativ gleichmäßig abnimmt. Dies liefert wertvolle Hinweise auf ihre mögliche Herkunft. Denn bisher ist strittig, ob die besonders schnellen Teilchen auf wenige nahe Quellen zurückgehen oder ob sie von weiter herkommen und ursprünglich noch höhere Energien besaßen.

„Wir konnten die Herkunft dieser kosmischen Elektronen mit unserer detaillierten Analyse demnach erstmals stark einschränken“, sagt Koautor Werner Hofmann vom MPI für Kernphysik. Der eher gleichmäßige Trend spricht demnach dafür, dass zumindest die hochenergetischen Elektronen nicht aus nur einer oder wenigen nahen Quellen stammen.

Knick in der Kurve

Mit einer Ausnahme: Bei rund einem Teraelektronenvolt zeigt die Energieverteilung der kosmischen Elektronen einen überraschend scharfen Knick. Demnach treffen deutlich mehr Elektronen mit dieser Energie die Erde als es dem ansonsten gleichmäßigen Trend entspricht. „Dieser scharfe Bruch könnte ein Szenario stützen, bei dem diese Elektronen aus einer einzelnen oder wenigen lokalen Quellen stammen“, erklären Aharonian und seine Kollegen. Den Berechnungen zufolge liegen diese Ursprungsorte maximal einige tausend Lichtjahre entfernt.

Von welchen Ereignissen oder Objekten diese Elektronen konkret stammen, ist jedoch noch nicht geklärt. Gleiches gilt für die weit energiereicheren kosmischen Elektronen am oberen Ende der Messspanne. (Physical Review Letters, 2024; doi: )

Quelle: CNRS, Physical Review Letters

 

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